„2020 wird ein beschissenes Jahr“, sagte meine Frau, als wir mit Apfel-Karotten Saft aufs Neue Jahr anstießen. Die Prophezeiung wurde nicht durch hellseherische Fähigkeiten hervorgerufen, sondern durch Frustration, weil sie mit einem grippalen Infekt, den sie von mir bekommen hatte, zu Hause saß. Ich teilte ihre pessimistische Ansicht nicht, denn ich plante eine schöne Reise. Nach Australien.
Timing ist das Wichtigste
Wir waren schon einmal in Down Under und wir schworen uns damals bald wiederzukommen, der Kontinent war einfach zu wunderbar. Das Versprechen hielten wir jedoch nicht ein, vierzehn Jahre sind bereits vergangen. Dieses Jahr durften keine Ausreden dazwischen kommen, ich spürte, dass jetzt die richtige Zeit gekommen war.
Als ein Virus Wuhan abriegeln ließ, wusste ich, Europa bleibt nicht verschont. Australien womöglich schon. Denn, strenge Einfuhrbestimmungen und drakonische Strafen hielten landwirtschaftliche Krankheitserreger bis jetzt ab einzureisen. Einen Apfel einzuschleppen wird fast strenger bestraft als Schmuggel von Heroin. Und mitgebrachte Haustiere werden sofort in Quarantäne gesteckt. Da sollte sich Corona warm anziehen, wenn es sich mit den Grenzbeamten anlegen wollte. Die Zuversicht in deren „Abwehrsystem“ war groß, jedoch befürchtete ich, dass einreisenden Touristen bald das gleiche Schicksal drohen würde, wie den Tieren.
Um der drohenden Haft zu entgehen, kaufte ich schnell zwei Tickets nach Sydney und sagte meiner Frau, sie möge die Koffer packen.
Wahrscheinlichkeitsrechnung
Sie dachte aber nicht daran wegzufliegen, in Zeiten wie diesen, die Ansteckungsgefahr im Flugzeug sei ihr zu hoch. Ich erklärte ihr, es sei viel wahrscheinlicher im Lotto zu gewinnen, als im Flieger von Corona erwischt zu werden.
Die halbleere Maschine nach Doha und der erste Gin Tonic wirkten beruhigend, die Gefahr durch COVID19 verflog. Doch mit dem Umsteigen in den vollgestopften Doppeldecker A380 kam sie wieder zurück. Meine Frau verfluchte das Flugzeug und kündigte eine baldige Ansteckung an. Nach ihrer Ansicht würde dies garantiert stattfinden, denn mit 500 Menschen 12 Stunden lang eingepfercht zu sein bedeutete eine 100%ge Infektion.
„Das stimmt nicht“, sagte ich, „es sind 15 Stunden bis nach Sydney.“
Die Ausgangstür in der Ankunftshalle ging auf und wir waren frei, Corona frei. Keine Gedanken verschwendeten wir an dieses Virus mehr. „No Worries“, hieß es jetzt! Wir genossen die Stadt, das Meer, die Vögel und das Happy Hour Bier.
Nach ein paar Tagen las ich zufällig in der lokalen Zeitung, dass auf unserem Flug Corona mit an Board gewesen war und Passagiere, die in seiner Nähe saßen, aufgefordert wurden sich unverzüglich zu isolieren. Sofort begann ich zu husten und mein Kopf schmerzte. Wie konnte es sein, dass meine Frau recht hatte, wieso ging meine Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht auf? Sie sah mein Unbehagen und fragte, was den los sei? Im gleichen Moment vergingen die Symptome wieder. Es betraf einen anderen Flug, drei Tage vor unserem. Und außerdem saßen wir ganz wo anders. Ich antwortete ihr: „nix“.
Flache Kurve
Wahrscheinlich nahmen es die Beamten persönlich, dass ihnen CoV durchgeschlüpft war und sperrten gleich danach alle neu angeflogenen Wirte kurzerhand für zwei Wochen ein. Mir war es recht, ich war schon drinnen. Darüber hinaus war ich stolz auf mein Timing und meine Voraussicht.
Die einheimische Bevölkerung kannte ihre Beamten zu gut, sie ahnten wohl weitere, speziell auf sie maßgeschneiderte Maßnahmen. Vorsorglich begannen sie Klopapier zu horten. Um nicht als Spielverderber abgestempelt zu werden, erkämpften wir uns ebenfalls das wertvolle Papier. Die Regierung ermahnte uns, wir sollten damit aufhören, die Kurve ist superschön flach, uns drohen keine Restriktionen. „No Worries“.
Mittlerweile befanden wir uns in Pacific Palms, einem einsamen Ort mit leeren Stränden, 300 km von Sydney entfernt. Eines Morgens sagten uns die österreichischen Medien, dass die obersten Staatsmänner der Ansicht seien, Zuhause wäre es am schönsten. Wir sollten schleunigst zurückkehren! In dem Moment schwirrte mir im Kopf der eine Wahlslogan von einem blauen Wunderwuzzi herum: „Daham besser als …“ .
Der Blick aus dem Fenster auf die atemberaubende Natur ließ mir keine Zweifel. Hier ist es besser.
Alles was Flügel hat fliegt… nicht mehr
Jedoch versuchten immer mehr Staaten ihre Bürger davon zu überzeugen ihr Heimatland zu lieben und nicht zu verlassen. Alles was Flügel hatte flog plötzlich nicht mehr. Die meisten Airlines wollten nicht abheben.
Nur dem Kookaburra, bekannt auch als Lachender Hans, machte es Spaß zu fliegen. Und zu attackieren. Ständig griff er uns beim Essen an und riss uns die Nahrung aus den Händen. Ich gab dem Vogel zu verstehen, dass wir vermutlich unseren Urlaub verlängern würden bis die Welt sich wieder beruhigt, und ich genügend Zeit haben würde mich an ihm zu rächen. Leider wurde dieser Plan durch das Ablaufdatum unseres Visums durchkreuzt. Sollte es doch länger dauern bis der Kampf gegen das Virus gewonnen würde, wären wir illegal hier. Da versteht die australische Einwanderungsbehörde keinen Spaß. Wir hätten dann „Big Worries“.
Somit folgte ich dem Ruf unserer Bundesregierung und schrieb meinem Reisebüro, wo ich die Flugtickets gekauft habe, sie mögen mir den Rückflug auf einen früheren Tag umbuchen. Sie meinten aber, sie könnten nichts für mich tun, ihnen wären die Hände gebunden, ich sollte mich direkt an die Airline wenden.
Diese agierte professioneller und hob das Telefon gar nicht ab. Schriftlich war sie nicht zu erreichen und Online umbuchen ging auch nicht, weil ich über ein Reisebüro gebucht hatte. Deren FAQs gaben mir den Tipp mich an das Reisebüro zu wenden. Hinter mir hörte ich den Hans, wie er mich auslachte.
Es blieb mir also nichts anderes übrig als neue Tickets zu kaufen. Das Versprechen der Airline uns nach Hause zu befördern ließ sie sich gut bezahlen. Economy wurde preislich zu Business-Class. Der Hans lachte weiter.
Falsches Hobby
Auf dem langen Rückflug hatten wir genügend Zeit über die Zukunft nachzudenken. Viel kam dabei nicht raus, aber rosig würde sie nicht werden. Unter einem schlechten Stern stand auch unser neues Hobby: das Betreiben eines Reiseblogs. Mit dem ersten bekannten Coronafall startete unsere Website. Viel Hoffnung hatten wir damals in dieses Projekt gesteckt. Influencer wollten wir werden und gratis Reisen. Doch daraus wird wohl nichts mehr. Im letzten Artikel ging es um die tschechische Grenzstadt Mikulov. Der Titel hieß „Zwischenstopp in Mikulov – ein Blick über die Grenze“. Da ahnten wir noch nicht, dass man jetzt nur noch über die Grenze blicken darf.
Kurz vor der Landung wurden wir von der Crew informiert, dass wir von einer neuen Maßnahme der österreichischen Regierung betroffen seien und wir für zwei Wochen in Quarantäne geschickt werden. Es täte ihnen sehr leid, aber trotzdem wünschten sie uns einen schönen Aufenthalt.
Diesmal war unser Timing schlecht. Aber wir waren vorbereitet. Im Gepäck hatten wir vier Packungen feinstes australisches Klopapier.
Dieser Beitrag ist Teil der „Die trotz Corona Blogparade: Urlaub und Reisen 2021“ von Daniel Dorfer. Auf seinem Fernwehblog findet ihr nicht nur weitere Artikel über Reisen zu Corona-Zeiten, sondern auch spannende Reiseberichte aus zahlreichen Ländern und Städten ohne Corona.
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8 Kommentare
Schöner Bericht. Mir erging es ähnlich im März 2020 in Australia….
Danke! Wir sind wohl nicht die einzigen, die es erwischt hat… Aber ich nehme an, dass du, wegen Recherchetätigkeiten für ein neues Buch (?), so bald wie möglich wieder zurückkehren wirst?
Trotz allem habt Ihr den Humor nicht verloren! Es kommen auch wieder bessere Zeiten.
Liebe Grüße
Ulrike
Ja, die werden bestimmt kommen!
Liebe Grüße,
Nicolas
Hallo Nicolas,
wenn auch der Inhalt traurig ist, dein Schreibstil ist es definitiv nicht. Die Art, wie Du schreibst empfinde ich als große Inspiration. Ich blogge auch, aber meine Beiträge kommen mir jetzt so trocken vor, wie eine Schachtel vergessener Butterkekse im Schrank. Das muss zukünftig besser werden! Habt ihr einen Newsletter, bei dem man sich anmelden kann? Würde gerne über neue Beiträge von euch informiert werden.
Liebe Grüße, mach weiter so. Udo
Lieber Udo,
Vielen Dank für das sehr nette Kompliment! Einen Newsletter habe ich noch nicht, aber der kommt bald (ich werde mich dann bei dir melden). Mittlerweile habe ich deinen Newsletter abonniert und ich folge dir auf IG und Facebook. Ich finde deine Beiträge sehr interessant und informativ! Wahrscheinlich sollte ich mal eine Kreuzfahrt buchen…
Ahoi und liebe Grüße zurück, Nicolas
Hallo Nicolas,
ich liebe deinen unterhaltsamen Schreibstil! Selbst mit deinem Bericht von eurer Quasi-Katastrophe hast du es geschafft, mich zum Schmunzeln zu bringen. Gut, „gerade noch“ über die Grenze nach Australien zu hüpfen war… hm… sehr gewagt, aber ich kann verstehen, dass man die Möglichkeiten nutzen will, die sich bieten 🙂
Ein ganz frischer Reiseblog, pünktlich zu Corona aufgesetzt? Hm, da war Corona wohl schneller… Das macht nichts. Es kommt auch eine Zeit danach und etwas in mir (Wunschdenken? Hoffnung?) ist fest überzeugt, dass wir dann wieder reisen können. Wenn dieser ganze Mist vorbei ist.
Gib nicht auf, du hast so einen tollen Blog, es würde mich freuen, nach dieser ganzen Zombie-Apokalypse weiterhin von dir zu lesen.
Liebe Grüße
Kasia
Hallo Kasia,
ich bedanke mich herzlich für deine aufmunternde Worte! Werde weiter machen, immer weiter, immer weiter… 😉 In den kommenden Tagen installiere ich einen Newsletter, falls du möchtest, dann informiere ich dich darüber.
Wie ich sehe, so hast du ja auch einen Blog. Dann tauche ich mal rein…
Liebe Grüße, Nicolas