Wenn einer eine Reise tut, ist das für den normalsterblichen Menschen schon manches Mal eine Herausforderung, aber im speziellen Fall des Hypochonders bedarf es genauester Recherche und Vorbereitung. An erster Stelle des Denkprozesses steht die Annahme Down Under sowieso nie zu Gesicht zu bekommen, da man mit ziemlicher Sicherheit knapp vor dem Abflug eine Appendizitis erleiden werde. Zweitens folgt die Überlegung, beziehungsweise der Zweifel, welche Schritte sind einzuleiten, wenn dies nicht passiert?
Vorbereitungen für Down Under
Primär kennzeichnen einen gut vorbereiteten Australienurlauber folgende Punkte: zum einen wäre da die monatelange Buchlektüre über den geheimnisvollen Kontinent, kein anderes Land obliegt meiner Meinung nach so mannigfaltigen Gefahren wie Australien. Die Bedrohungen in Gestalten von Insekten, Schlangen und Säugetieren, lauern in der Luft, im Wasser und auf der Erde. Natürlich reist ein Hypochonder nie, auch wenn nur übers Wochenende, ohne ein entsprechend gut gefülltes Medikamententäschchen. In meinem speziellen Fall war das kein Täschchen sondern ein Koffer, für Kleidung war fast kein Platz mehr, aber wofür gibt es denn Waschmaschinen?
Neben der visuellen Vorbereitung durch Bücher und Filme, wäre es, dachte ich mir, selbstverständlich auch sinnvoll auf Erfahrungsberichte von Einheimischen, beziehungsweise Down Under Reisenden zurückzugreifen. Dies stellte sich aber als Fehler heraus, anstatt einer Angstminimierung folgte eine Angstmaximierung. Jeder dieser Spezialisten schürte die Furcht, auf seine Weise, da wäre zum Beispiel die Anleitung zum richtigen Umgang mit der Braunschlange. Jedes kleine Kind weiß, dass man Schlangen aus dem Weg gehen kann, indem man mit laut trampelnden Schritten durchs Unterholz läuft. Im Fall der Braunschlange ist dies genau andersrum, jene Art fühlt sich von Lärm angezogen und reagiert äußerst aggressiv. Ich bewegte mich entweder trampelnd oder schleichend fort.
Des Weiteren ließ ich mich von des Hypochonders besten Freund, dem Arzt, beraten. Leider war der seelische und körperliche Nutzen gleich Null, denn erst das Fachpersonal hat mich auf die schreckliche Frage gebracht: „was passiert wenn ich einen Herzinfarkt im Flugzeug habe und kein Arzt an Bord ist? Unter anderem gehört es anscheinend in ärztlichen Kreisen zum guten Ton, sich vor Langstreckenflügen blutverdünnende Mittel zu spritzen. Ich griff statt zur Spritze lieber zu Aspirin.
Thrombose an Board
Da saß ich nun, mitsamt der sich langsam zersetzenden Tablette in meinem Körper, von Minute zu Minute wurde mein Herzschlag ruhiger und ich entspannte mich. Wäre bloß nicht der Gedanke an eine mögliche Blasenentzündung gewesen. In Flugzeugen herrscht eine gewisse Trockenheit, die sich in einem Spannungsgefühl an der Hautoberfläche bemerkbar macht. Darüber hinaus könnte durch den Flüssigkeitsverlust auch die Harnblase in Mitleidenschaft gezogen werden, daher gönnte ich meiner Blase ständige Wasserversorgung durch die Flugbegleiter. Natürlich ist die Wasserentleerung ebenfalls sehr wichtig. Von großem Vorteil ist es daher einen Sitzplatz am Gang zu reservieren, man erspart sich in diesem Fall böse Blicke von Mitreisenden über die man ansonsten waghalsig hätte klettern müssen.
Das Negative an einem solch langen Flug ist die Zeit, die auf der einen Seite kaum und wenn doch nur sehr, sehr langsam vergeht. Nach sieben oder acht Stunden spürte ich so langsam meine Beine nicht mehr, und wenn ich sie doch spürte hatte ich einen stechend tauben Schmerz. In meinem Gehirn schrillten alle Alarmglocken auf einmal los: „Thrombose, ich habe hundertprozentig eine Thrombose!“
Was sollte ich tun? Ich hatte mich so sorgfältig auf meine Reise vorbereitet und jetzt dieser Schmerz. Mir lief der Schauer des Schreckens eiskalt über den Rücken, meine Hände verkrampften sich und mir wurde speiübel. Zu meinem Glück, hatte ich den zweitbesten Freund des Hypochonders neben mir, meinen Ehemann, der mich beruhigte, allerdings hatte ich ab diesem Zeitpunkt den nicht wirklich schmeichelnden Spitznamen „Thrombosenlilly“.
Jetlag
Wie durch ein Wunder kamen wir gesund und heil in unserem Zwischenstoppland Singapur an, wo mir die hohe Luftfeuchtigkeit fast den Atem nahm, aber ich hatte durch Nasenspray für ein gutes Durchschnaufen gesorgt und fühlte mich wohl. Solange jedenfalls bis die Nacht angebrochen war und jeder normale Mensch eigentlich schlafen sollte, ich konnte es drei Nächte nicht!
Beim Weiterflug nach Australien sinnierte ich über den Schlafmangel nach und kam zu dem Schluss, dass es entweder am Jetlag gelegen haben könnte oder aber an einer mir unbekannten zum Tode führenden Krankheit. Am Flughafen in Brisbane angekommen, hätte ich eigentlich mit ein paar Schlangen oder Spinnen gerechnet, die schon in Lauerstellung auf mich warteten, aber ich wurde eines besseren belehrt. Keine Schlangen oder sonst giftiges Getier weit und breit, ich konnte aufatmen und entspannte mich.
Ein Hypochonder und die Apotheke
Die Tage verliefen ruhig, abgesehen von meiner Verdauung, die noch nicht wirklich eingependelt war und dem Besuch eines Zoos. Mein erstes Geschäft, das ich aufsuchte war eine Apotheke, in der ich mich auf die Suche nach Kohletabletten begab. Leider ohne jeglichen Erfolg. Es war auch zu dumm von mir, ausgerechnet jene zu Hause vergessen zu haben. Ich stand nun, mutterseeleinallein in einer Apotheke auf der anderen Seite der Welt und die Pharmazeutin gab mir statt Tabletten den guten Rat: „relax and take it easy“. Wie vom Donner gerührt starrte ich sie an und glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Erkannte diese Person etwa nicht die bedrohliche Lage in der ich schwebte? Fremde Länder fremde Sitten dachte ich mir und zog ohne Tabletten und mit einem peinlichen Gefühl ab. Zu jener Zeit wusste ich noch nicht, dass dies nicht meine letzte Begegnung mit dem merkwürdigen australischen Apothekervölkchen sein sollte.
Gute und böse Tiere
Der Trip ging weiter per Kleinflugzeug zum Great Barrier Reef, wo ich gemeinsam mit Schildkröten schwamm und eine schöne Zeit hatte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Mittagsbuffet aufgetischt wurde. Es gab rohe Garnelen mit Cocktailsauce und ich war hin und her gerissen zwischen dem Genuss, den mir diese kleinen Tierchen bereiten könnten und einer Fischvergiftung. Ich entschloss mich todesmutig für die Scampi, allerdings war bei jedem Bissen ein mulmiges Gefühl dabei. Wie sich aber herausstellte, konnte ich ganz ohne Probleme meine Weiterreise antreten.
Die nächste Stadt war Byron Bay, ein kleines idyllisches Fleckchen Erde, aber auch dort lauerte das Unheil in Form von kleinem widerlichen Ungeziefer. Ich hatte den Tag ganz ohne Schmerzen verbracht und freute mich auf meine verdiente Nachtruhe. Während ich schlaftrunkenen Schrittes in Richtung Badezimmer torkelte, fiel mir sofort ein kleiner Schatten auf, der vor- und rückwärts lief. Da ich leider keine Brille mehr trug konnte ich nicht wirklich erkennen was oder wer sich hinter diesem Umriss verbarg.
Auf Zehenspitzen trippelte ich zurück zu meinem Nachtkästchen, setzte die Brille auf und erkannte das Monster, eine Kakerlake. Mit einem gellenden Schrei machte ich einen Satz auf das Bett und wollte auf der Stelle das Hotel verlassen, da es aber schon zu spät war ließ ich mich von meinem Ehemann zum Bleiben überreden, welches sich aber als Fehler herausstellte. Wir versuchten natürlich das grausige von Krankheitserregern verseuchte Ungetüm zu erwischen, aber es gelang uns nicht, unsere Jagd blieb erfolglos. Dennoch musste ich auf die Toilette, und wen traf ich neben meinem Zahnputzbecher wieder? Es war so schrecklich, ich spürte die Krankheitserreger förmlich auf meiner Haut und jedes Mal wenn ich einen Zahnputzbecher sehe wird mir heute noch schlecht. Die kleine „Keimschleuder“ hatte übrigens eine circa zehn Zentimeter große Schwester, die aber per Schuh in dieser Nacht das Zeitliche segnete.
Die Clowns der Lüfte
Australien ist wirklich ein wunderschönes Land und die einmaligste Stadt ist meiner Meinung nach Sydney. Dort gibt es alles was das Herz begehrt: Meer, Sonne, tolle Architektur und eine sehr interessante Tier und Pflanzenwelt. Der Lieblingsplatz von mir wurde deswegen der botanische Garten. Spazierte man durch das dichte Grün, fühlte man sich wie im Paradies.
Das liegt aber garantiert auch an den Schwärmen von Kakadus, die den Garten bevölkern, sie sind die Clowns der Lüfte und eine Show für sich. Wir liebten es sie zu beobachten und auf unseren Schultern herum zu tragen. Dabei ereignete sich aber eines Tages ein kleines Missgeschick. Mein Ehemann wurde von einem besonders frechen kleinen Burschen am Hals unabsichtlich gekratzt. Von diesem Tage an, bildete ich mir ein, dass kleine Bakterien seine Blutbahn bevölkern und er eines Tages möglicherweise als Kakadu aufwachen könnte. Ich bestand darauf ins nächstgelegene Krankenhaus zu fahren, aber all mein Bitten und Betteln blieb erfolglos. Es sei erwähnt, dass er noch nicht davon geflogen ist.
Und wieder in der Apotheke
Die Reise führte uns weiter nach Perth, wo ich einmal mehr versuchte in einer Apotheke fündig zu werden. Der Grund meines Besuches lag an meiner überdimensionalen Fieberblase, die sich wie eine Hydrokultur auf meiner Unterlippe angesiedelt hatte. Der Schmerz war groß und als ich dem Apotheker mein Leid klagte, lachte dieser und riet mir:
„drink a lot of beer!“
Ich konnte es nicht glauben, befolgte seinen Rat und schlief die erste Nacht seit langem durch.
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